Die Vergessenen (Lesung)

Die Vergessenen (Lesung)

Am 28.01.1972 wurde der sogenannte Radikalenerlass von der Konferenz der Ministerpräsidenten unter Vorsitz von Bundeskanzler Willy Brandt verabschiedet. Im Kontext der 68er Bewegung sollte dieser „Extremistenbeschluss“ eine „kommunistische Unterwanderung“ im öffentlichen Dienst verhindern.Die politische Gesinnung von über eine Million Angehörenden oder Bewerber:innen des öffentlichen Dienstes wurde mit geheimdienstlichen Mitteln überprüft. Es kam zu zahlreichen Entlassungen und Berufsverboten. Schon die Teilnahme an einer Demonstration oder das Anfertigen eines Flugblatts konnte ausreichen, um als Verfassungsfeind deklariert zu werden.Die Betroffenen sahen sich plötzlich mit existenziellen Problemen konfrontiert. Das Gesetz und seine Praxis führte nicht nur zu absurden und willkürlichen Urteilen, sondern war in seiner Konzeption zutiefst demokratiefeindlich. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte 1995 in einem Einzelfall einen klaren Verstoß gegen die Versammlungs- und Meinungsfreiheit fest. Im Jahr 2022 findet der 50. Jahrestag der Berufsverbotepraxis statt. Der Radikalenerlass ist in einigen Bundesländern tatsächlich noch in Kraft, auch wenn die Anwendung mittlerweile eher eine Ausnahme ist. Jedoch hat eine gesellschaftliche und wissenschaftliche Aufarbeitung nicht stattgefunden. Die Betroffenen fordern weiterhin ihre vollständige Rehabilitierung und finanzielle Entschädigung. Die Lesung „Die Vergessenen“ nährt sich der Thematik im Spagat zwischen persönlichen Geschichten und gesellschaftlichen Strukturen und Mechanismen.

Dauer ca 80min

 

Konzeption: Geremia Carra, Janosch Roloff
Regie: Janosch Roloff
Schauspiel: Soraya Abtahi, Felix Höfner, Anne K. Müller, Asim Odobašić
Licht: Marek Mauel